Das Evangelium, oder: die gigantischste Vision für das Menschsein überhaupt!

In seinem Drama „Wilhelm Tell“ lässt Schiller einen Mann zu seiner Geliebten sagen: „Ihr zeiget mir das höchste Himmelsglück – und stürzt mich tief in einem Augenblick!“
Wer die Botschaft der Bibel wirklich verstanden hat, wird wohl ähnlich empfinden.
Also: gute Nachricht, schlechte Nachricht – fangen wir mit der schlechten an:

Der Mensch ist nicht wie er sein soll…

<Naja… auf die Idee könnte man natürlich auch schon ohne Bibel kommen. Aber wir verstehen unser Problem erst dann richtig, wenn wir realisieren, welche gigantische Diskrepanz besteht zwischen dem, was wir sein sollen, und dem, was wir sind.
Um zu verstehen, wie sich Gott den Menschen gedacht hat, müssen wir bei Adam und Eva anfangen. 1. Mose 1:26f: „Dann sprach Gott: ‚Lasst uns Menschen machen als Abbild von uns, uns ähnlich. Sie sollen über die Fische im Meer herrschen, über die Vögel am Himmel und über die Landtiere, über die ganze Erde und alles, was auf ihr kriecht!‘ Da schuf Gott den Menschen nach seinem Bild, als sein Ebenbild schuf er ihn. Er schuf sie als Mann und Frau..“
Dreimal in diesen zwei Versen wird gesagt, dass der Mensch nach dem Bild Gottes, bzw. „nach unserem Bild uns ähnlich“ geschaffen wird.
Unser Bild“ sagt aus, dass es das Bild des dreieinigen Gottes ist, das der Mensch widerspiegeln soll. Gott, der selbst ein Beziehungswesen ist: drei Personen, die einander lieben, hat auch uns Menschen als Beziehungswesen geschaffen. Männlich und weiblich, also in der Mehrzahl, als Gemeinschaft, mit dem Konzept der gegenseitigen, liebevollen Ergänzung.
Herrschaft über die übrige Schöpfung darf hier keinesfalls negativ gewertet werden. Der biblische Maßstab für Herrschaft ist vielmehr: der Herrscher muss ein Diener sein, keinesfalls ein Diktator oder Ausbeuter.
Gleich danach lesen wir aber die Geschichte vom Sündenfall, durch den die Beziehung zwischen Gott und Mensch zerbricht. Die weiteren Kapitel zeigen eine Degeneration des menschlichen Lebens und Verhaltens. Nach Kains Brudermord prägen Hass, Gewalt und Furcht das Leben der Menschen. Nirgendwo in der Bibel finden wir ein Heldenepos, stattdessen schonungslos ungeschminkte Berichte von menschlichem (Fehl)Verhalten.

Zwar gibt es nach wie vor bemerkenswerte Eigenschaften wie das differenzierte Sprech- und Denkvermögen. Und das bringt etwas zum Ausdruck von Gott, der ein redender, kommunizierender Gott ist. Aber Gott, der Licht und der heilig ist, kommuniziert Wahrheit, der in Sünde gefallene Mensch dagegen nur allzu oft Lüge, Betrug, Täuschung (inklusive Selbsttäuschung und Selbstbetrug).Das biblische Menschenbild kommt im Römerbrief, Kapitel 3 Vers 23 sehr deutlich zum Ausdruck: Wir Menschen haben gesündigt, weshalb von der Herrlichkeit bzw. Ebenbildlichkeit Gottes bei uns nichts mehr zu sehen ist. Gott hat uns eine atemberaubend hohe Stellung zugedacht: als Kinder Gottes, die in liebevoller Gemeinschaft mit Gott dem Vater leben können, in einer unvorstellbaren Herrlichkeit. Und genau das fehlt uns. Alle Mensch haben diese Stellung verloren, sind mit sich selbst allein, in sich selbst verkrümmt. Allen fehlt diese ungetrübte, enge, vertrauensvolle Beziehung zu Gott. Das gilt auch für die, die ein augenscheinlich wohlanständiges, moralisch gutes Leben führen.
So wie die Welt heute ist, kann sie uns komplett sinnlos und bedrohlich erscheinen. Fast überall setzen sich die Skrupellosen durch. Wenn wir bei all dem Elend, der Gewalt, der Ungerechtigkeit noch nicht völlig abgestumpft sind, haben wir nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir verzweifeln, oder es gibt etwas, was unserem Leben Sinn gibt. Wofür es sich wirklich lohnt zu leben. Und was kann das sein, wenn nicht diese Perspektive: Gott will in uns Menschen sein Bild wiederherstellen, und er tut es wirklich, wenn wir ihn nur lassen!

… aber er kann es wieder werden, Gott macht uns ein unvergleichliches Angebot!

Genau das ist also die gute Nachricht der Bibel, aber sie ist unlösbar verbunden mit einer tiefen Demütigung. Als Rebellen gegen Gott haben wir nur eines verdient, nämlich die ewige Trennung von Gott, das ewige Unleben. Das ist die Strafe, die wir für unsere Sünden verdient haben. Doch eben diese Strafe hat Gott selbst in seinem Sohn Jesus auf sich genommen. Nur dadurch ist die Voraussetzung geschaffen, dass wir wieder in diese Beziehung zu Gott hineinkommen können. Wir Menschen wollten Gott spielen, das ging schief. Jesus, der Gott war, wurde Mensch – er allein war Gott dem Vater wirklich gehorsam. Nur deshalb kann sein Vater unser Vater werden.
Und wer ihm vertraut und gehorcht, wird tatsächlich ein Kind Gottes.
Was das bedeutet, ist gigantisch und übersteigt unser Vorstellungsvermögen bei weitem. Verschiedene Bibeltexte bringen das aber unmissverständlich zum Ausdruck, hier eine kleine Auswahl:
1. Johannesbrief 3:2 „Ihr Lieben, schon jetzt sind wir Kinder Gottes, und was das in Zukunft bedeuten wird, können wir uns jetzt noch nicht einmal vorstellen. Aber wir wissen, dass wir von gleicher Art sein werden wie er, denn wir werden ihn so sehen, wie er wirklich ist.“ Also auch hier wieder die Gottesebenbildlichkeit. Und wenn das unsere Perspektive ist, dann verändert uns das, Vers 3: „Wer auf so etwas hofft, wird immer darauf achten, sich von Sünde zu reinigen, um rein zu sein wie er.“
Römerbrief 8:29 „Denn die, die er im Voraus erwählt hat, hat er auch dazu bestimmt, in Wesen und Gestalt seinem Sohn gleich zu werden, denn er sollte der Erstgeborene unter vielen Geschwistern sein.“
Wäre das unsere Idee, dann wäre es der galoppierende Größenwahn. Aber Gott selbst sagt uns das zu! Und fordert uns dazu heraus, es zu glauben!

Ebenso spricht 2. Petr. 1:4 davon, dass wir „Teilhaber an der göttlichen Natur“ werden. Nun ist das einerseits vor allem eine Perspektive für die Ewigkeit, aber es soll schon heute etwas mit uns passieren, und etwas von Gottes Herrlichkeit in unserem Leben sichtbar werden.
Gottes Eigenschaften, wie Liebe und Treue, können jetzt schon unsere Eigenschaften werden. Das macht einen gewaltigen Unterschied in unserem Leben und das werden auch diejenigen nicht übersehen können, die mit uns das Vergnügen haben.
Das übersteigt alle typischen religiösen Vorstellungen. Es gibt Menschen, für die ist der Glaube nur eine Vermeidungsstrategie. Sie wollen nur die Hölle vermeiden, oder ein behagliches Plätzchen im Himmel, oder dort ihre lieben Verwandten wiedersehen – aber das, was Gott wirklich für uns vorgesehen hat, und was so unvorstellbar viel größer ist, ist ihnen nicht bewusst oder sie wollen es auch gar nicht, da es eben auch einen Preis kostet, nämlich den Stolz, und den Anspruch auf ein autonom-gottloses Leben.
C.S. Lewis schrieb daher: „Wollen wir nicht mehr sein als kleine Angestellte in vergänglichen Unternehmen? Es ist unendlich tragisch, dass die Menschen ihre hohe Berufung nicht erkennen. Sie greifen nach dem Mittelmäßigen, wo Gott ihnen viel Wertvolleres anbietet. Geben sich zufrieden mit Alkohol, Sex, Karriere und flacher Unterhaltung, obwohl ihnen unendliche Freude angeboten wird. Sie kriechen, wo sie fliegen könnten, wühlen im Mist, während Gott ihnen eine Krone anbietet.
Was ist die Ursache dieser Tragik? Schon die Geschichte vom Sündenfall zeigt, dass es eine Macht gibt, die den Plan Gottes mit den Menschen sabotieren will. Die Auseinandersetzung mit dieser Macht zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel. Insbesondere was die Evangelien über Jesus berichten, lässt sich nur richtig einordnen, wenn es vor allem unter diesem Gesichtspunkt betrachtet wird: Hier findet die finale Auseinandersetzung statt zwischen Gott, der hier in menschlicher Gestalt zu seinen Geschöpfen kommt, und den Mächten des Bösen. Die gute Botschaft (das „Evangelium“) ist nun gerade, dass durch Jesu Kreuzestod und Auferstehung diese Macht des Bösen überwunden ist. Dass der Mensch wieder das werden kann, was er nach Gottes Plan sein soll, kann und darf. Allerdings ist das seine freiwillige Entscheidung. So lange, bis Jesus wiederkommt (nicht mehr um am Kreuz sein Leben zu lassen sondern als der unwiderstehliche Machthaber), sind wir herausgefordert uns zu entscheiden zwischen Gott und Satan.
Nur diese Sicht hilft uns, das, was wir heute an gewaltigen Problemen und furchtbarem Unrecht erleben, richtig einzuordnen. Eine Perspektive zu gewinnen, die es nicht mehr übermächtig groß erscheinen lässt: 2. Korintherbrief 4:17 „Denn die kleine Last unserer gegenwärtigen Not schafft uns ein unermessliches ewiges Gewicht an Herrlichkeit“ Kleine Last? Das sehen wir sicher erst mal anders, aber aus Gottes Perspektive ist es genau so.
Die beiden letzten Kapitel der Offenbarung (und damit der Bibel überhaupt) zeigen wie sich das große Ziel Gottes verwirklicht. Gott ist hier wieder bei den Menschen, wie schon ganz am Anfang des Buchs Genesis, da schließt sich also der Kreis. Wir sollen unmittelbare Gemeinschaft haben mit dem, der Herr ist über alles, seine Kinder sein und Kompetenzen haben, die unser jetziges Vorstellungsvermögen völlig überfordern.
Das ist aber keine billige Vertröstung auf ein besseres Jenseits, die unsere jetzige Existenz unberührt lässt.
Wer sich dieser Botschaft Gottes öffnet und eine Beziehung mit ihm beginnt, wird vielmehr jetzt schon durch Gottes Gnade erneuert. Auch das wird im Neuen Testament immer wieder erwähnt, mit am deutlichsten vielleicht im 2. Korintherbrief 5:17: Christen sind „in Christus eine neue Kreatur“. Das ist keine fromme Floskel und kein Wunschdenken, sondern das kann und soll Wirklichkeit werden. Ich wünsche Ihnen, dass sie Menschen kennenlernen, an denen Sie das konkret erkennen können (und selbst ein solcher Mensch werden). Das Neue Testament zeigt diesen Veränderungsprozess an konkreten Beispielen.
Den Apostel Johannes muss Jesus erst mal als „Donnersohn“ bezeichnen; der wünschte einmal den Menschen eines Dorfs, dass Feuer vom Himmel fällt und sie alle vernichtet. Aber gerade von ihm lesen wir später mit die tiefsten Aussagen über Liebe, er wurde geradezu der Apostel der Liebe.
Paulus war schon immer eifrig und energisch. So energisch, dass er die gerade entstehende christliche Gemeinde gleich ausrotten wollte. Energisch blieb er auch als Christ. Nur zielte sein Feuereifer dann nicht mehr auf die Vernichtung dieser Gemeinde, sondern ihren Aufbau. Der Verfolger und Mörder konnte später von sich sagen, im Brief an eine von ihm gegründete Gemeinde: Wie eine Mutter habe ich mich fürsorglich um euch gekümmert.
Petrus war immer gerne vorne dran, gern der Erste, also schon sehr selbstbezogen. Als es aber eng wurde, konnte er auch meisterhaft lügen. Jesus begegnet ihm nach seiner Auferstehung und fragt ihn: Hast du mich lieb? Wenn ja, dann sorge jetzt für andere, kreise nicht mehr um dich selbst, schau, dass andere weiterkommen, nicht mehr nur und vor allem du selbst. Was uns danach von Petrus berichtet wird, zeigt, dass er ein solcher Mensch wurde, wie Jesus ihn wollte (wenn auch nicht gleich ohne Fehler sondern nur mit Nachhilfe, aber am Ende war es eben doch eine nachhaltige Veränderung).
Mir gibt das Hoffnung: Wenn Gott diese Typen verändern konnte, warum nicht auch mich? Auch wenn ich all ihre negativen Eigenschaften in mir vereinige und noch andere mehr – Gott kann verändern!
Und es gibt auch heute Beispiele dafür, wie Gott Menschen erneuert. Manchmal eher unauffällig, manchmal sehr dramatisch. Wenn z.B. ein islamistischer Terrorist, der bisher Christen tötete, nun selbst Jesus nachfolgt und ihn furchtlos bekennt. Das erinnert schon sehr an die biblische Geschichte von Saulus/Paulus.

Trauen wir Gott zu, dass seine Geschichte mit uns seine Liebe widerspiegelt? Dass darin erkennbar wird: seine Liebe, seine Gnade ist nicht vergeblich, ist auch an mir nicht vergeblich?

Es ist kein Zufall, dass diese Veränderung auch gerne in christlichen Liedern besungen wird, am deutlichsten vielleicht von Jörg Swoboda: >“Herzen, die kalt sind wie Hargeld….“

Die Liebe hofft alles“, so lesen wir im 13. Kapitel des 1. Korintherbriefs. Warum ist das keine unrealistische Hoffnung? Weil jemand der Gott in Jesus begegnet ist, erlebt, was Gott aus Menschen machen kann.
Wir sollen Menschen werden, denen es zuerst um die Ehre Gottes geht – um die Ehre des Gottes, der dienend herrscht. Menschen, die deshalb selbst Gott und den Menschen in Liebe dienen können. Das bedingt eine neue Geburt, ein neues Herz.
Die beiden letzten Kapitel der Offenbarung (somit der Bibel) zeigen, was auf dem Spiel steht. Es gibt eine unermessliche Herrlichkeit zu gewinnen oder zu verlieren. Ich kann nur dringend empfehlen, diese Kapitel gründlich zu lesen.
Abschließend ein weiteres Zitat von C.S. Lewis: „Wenn wir uns ihm nicht widersetzen, wird er auch die Schwächsten und Scheußlichsten unter uns in ein blendendes, strahlendes, unsterbliches Geschöpf verwandeln, voll Kraft und Freude, Weisheit und Liebe. Wir werden ein leuchtender, fleckenloser Spiegel sein, der Gottes unbegrenzte Macht, Freude und Güte reflektiert.“