Mein Weg zum, und im Glauben
Ich bin in einem evangelischen Elternhaus aufgewachsen. Zunächst einmal bekam ich im Religionsunterricht und Kindergottesdienst einiges über die Bibel erzählt, was ich in kindlich-naiver Weise auch „glaubte“.
Der Religionsunterricht der gymnasialen Oberstufe zerstörte diesen Kinderglauben gründlich. Hier wurde gelehrt, dass die Bibel nur die religiösen und politischen Vorstellungen von Menschen in Form von Mythen enthält. Der Theologe Rudolf Bultmann hatte gesagt, dass man modernen Menschen, die elektrisches Licht benutzen, den Glauben an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments nicht mehr zumuten kann, und diese Grundhaltung prägte den Religionsunterricht. Man vollzog den Kniefall vor einer materialistischen Evolutionstheorie, und missbrauchte die Bibel als religiöse Rechtfertigung einer linksradikalen Ideologie. Wichtig war keine wirkliche Beziehung zu Gott, sondern, dass man den Wehrdienst verweigerte und gegen Kernkraftwerke demonstrierte.
In genau dieser Zeit wurde ich in eine Gruppe junger Christen eingeladen, die glaubten, dass die in der Bibel erzählten Ereignisse, inklusive der Jungfrauengeburt, der Wunder und der Auferstehung Jesu, tatsächlich geschehen sind, und uns die Möglichkeit eröffnen, zu Gott eine persönliche Beziehung zu haben.
Ich war nun zu einer intensiven denkerischen Auseinandersetzung herausgefordert: Ist dieser Glaube nicht zu platt und naiv? Werde ich, wenn ich mich darauf einlasse, nicht in eine Sekte reingezogen? Sollte ich nicht lieber den studierten Berufstheologen glauben? Letztendlich durfte ich erfahren, dass Gott real ist und sich in Jesus Christus offenbart, dass Jesu Tod und Auferstehung die Grundlage dafür sind, dass ich mit Gott versöhnt und sein Kind sein darf. Auch wenn dieser Glaube letztlich ein Geschenk ist und nicht einfach durch intensives Nachdenken „erarbeitet“ werden kann, war die denkerische Auseinandersetzung, das Prüfen und Durchdenken rationaler Argumente, für mich sehr wichtig, und ist es bis heute geblieben. Ich las begierig apologetische Bücher, zunächst von Karl Heim, dann von C.S. Lewis und anderen Autoren. Da fand ich Antworten auf Fragen, die mich bewegten, auf die ich aber von anderen Christen keine überzeugende Antwort bekommen konnte.
Lebendiger Glaube lebt davon, dass man denkt. Das betrifft die Auseinandersetzung mit Angriffen auf und Einwänden gegen den christlichen Glauben ebenso wie das Bemühen um das richtige Verständnis von Gottes Wort. Das Letztere wurde mir wichtig als ich erkannte dass Manches, was bibelgläubige christliche Lehrer als unbedingt gültige Wahrheit präsentierten (nicht nur, aber vor allem in Fragen endzeitlicher Abläufe), einer kritischen Prüfung an der Bibel nicht standhielt. Darum darf auch in der christlichen Gemeinde das kritische Fragen, Diskutieren und Nachdenken nicht zu kurz kommen. Das tut es aber leider nur allzu oft, sei es, weil man sich denkfaul an traditionellen Lehren oder an den christlichen Leitern orientiert, „die es ja studiert haben und wissen müssen“, oder, weil man nur noch fühlen und erleben, nicht aber denken will.
Sehr hilfreich waren für mich auch die Bücher von Francis Schaeffer, der immer wieder aufzeigte, dass Glaube eben nicht der Kierkegaard’sche „Sprung ins Irrationale“ ist, sondern dass Gott uns in verständlicher Weise anspricht, an unseren Verstand appelliert, gerade nicht will, dass wir „den Verstand an der Garderobe abgeben“.
Dass man daher ganzheitlich leben kann, und eben nicht zur Schizophrenie aufgefordert wird: Als Informatiker rational, abstrakt und analytisch denken, als Glaubender das Denken ausschalten.
Bei aller Motivation für das Denken, darf ich eines nicht verschweigen:
Zu den christlichen Treffen eingeladen hat mich ein einfacher Bauarbeiter, der Gott liebte und erwartungsvoll zu ihm betete. Er hätte mit mir keine schwierigen Diskussionen führen können, aber sein gelebtes Vorbild, sein schlichtes Vertrauen auf den Gott der Bibel hinterließen dennoch einen bleibenden Eindruck. Obwohl „einfach“, war er dennoch im besten Sinne des Wortes „gebildet“ – denn das Wort und der Geist Gottes „bilden“, prägen einen Menschen. Und zwar so, dass das Ebenbild Gottes wieder an ihm erkennbar wird.