Theologische Auseinandersetzung mit dem Denken unserer Zeit
Hänssler Verlag 1985
Diese Publikation umfasst mehrere Bände mit Beiträgen von mehreren Autoren. Zeitgeschichtliche Themen werden hier aus biblischer Perspektive beleuchtet. Auch nach ca 40 Jahren sind diese Texte noch erstaunlich aktuell.
Hier meine Zusammenfassung:
Das Menschenbild der Aufklärung, und der Mensch aus biblischer Sicht.
Die Aufklärung war zwar in Deutschland, anders als in Frankreich, nicht atheistisch. Dennoch glaubte man: „die Natur des Menschen ist gut“. Das Verhältnis des Menschen zu Gott, seinen Mitmenschen und sich selbst sei in Ordnung. Das tatsächlich auftretende Böse wurde mit falscher (z.B. zu strenger religiöser) Erziehung erklärt; der Mensch müsse sich frei entfalten können.
Man sah Gott als Gesetzgeber, entschärfte aber die biblischen Gebote. Die Sünde wurde zwar nicht geleugnet, aber relativiert. Dass sie ihrem Wesen nach Feindschaft gegen Gott ist, wurde in der Aufklärung nicht gesehen bzw. akzeptiert. Dieses Ärgernis, dass der Mensch Böses tut weil er böse ist, wurde zurückgewiesen.
In der Geistesgeschichte wurde der Mensch mal eher als Einzel-, mal eher als Kollektivwesen, mal als Vernunftwesen, oder rein materialistisch gesehen.
Die Bibel sieht ihn als für die Beziehung zu Gott geschaffenes Wesen. Sie will keine erschöpfende Anthropologie bieten, sondern den Weg zeigen zu einem sinnerfüllten Leben in der heilen Beziehung zum Schöpfer.
Das hebräische Wort für Seele heißt auch „Gurgel“. Das macht den Vers Psalm 42:3 verständlich: „Meine Seele dürstet nach Gott“. Wir sind zum Hunger und Durst nach Gott verurteilt. „Unser Herz ist unruhig in uns, bis es ruht, o Gott, in dir“ (Augustinus). Wir können nie ohne Gott, sondern nur entweder mit ihm oder gegen ihn leben. Der Mensch kann Gott nie entfliehen (Psalm 139). Er kann nur eine positive oder negative Beziehung zu ihm haben.
Gottes Gebote sind nicht mit menschlichen Gesetzen vergleichbar. Sie sind keine Paragrafen, sondern Ausdruck von Gottes Willen, um das Leben zu ermöglichen.
Wer Sünde nur als Verletzung eines Gebots sehen will, vergisst den, der das Gebot gegeben hat. Sünde ist zuerst und vor allem eine Verletzung der Ehre Gottes. Der biblische Sündenbegriff ist sowohl aktual (indem er sich auf eine bestimmte böse Tat bezieht) als auch personal, weil es um die Versündigung gegen Gott geht.
Es gibt einen tiefen Zusammenhang zwischen dem, was wir tun, und dem, was wir sind. Das wird ausgedrückt im Bild von dem Baum und seinen Früchten. Unsere bösen Taten kommen aus einem Herzen, das „böse ist von Jugend auf“ (1. Mose 8:21). Die Reformatoren stellten klar heraus, dass der Mensch „von Natur“ Sünder ist, dass er nicht nur deshalb nicht vor Gott bestehen kann, weil er Gottes Gebote übertritt, sondern weil er Gott nicht liebt, ihm nicht gehorchen WILL. Zwar kann der Mensch gute Taten tun, aber er kann nicht das ganze Gesetz erfüllen, wie er es müsste (Galater 5:3). Und zwar deshalb weil die Liebe (zuerst die Liebe zu Gott) die Erfüllung des Gesetzes ist (Römer 13:10).
Wiedergeburt bedeutet, dass wir in einem neu geschenkten Sein das tun können, was Gott von uns will. Menschliche Tugendlehren und Religionen sagen: Du kannst, denn du sollst! In der Wiedergeburt erfahren wir: Wir sollen, weil wir nun, als neu gemachte Menschen, können.
Leistungsgesellschaft und Gnade Gottes (Heiko Krimmer)
Ein Grundproblem unserer Gesellschaft ist die Unfähigkeit zur Gemeinschaft. Wenn der Mensch nur nach seiner Leistung und Verwertbarkeit definiert wird, wird er in die Isolation getrieben, einsam, gemeinschaftsunfähig.
Die Leistungsgesellschaft ist Ergebnis unserer zerbrochenen Gottesbeziehung. Der Mensch ist von Gott entworfen als Abbild und Gegenüber. Und so ist er von Gott angenommen. Seit dem Sündenfall steht alles, was der Mensch tut, bewusst oder unbewusst unter dem Antrieb, etwas zu leisten, um wieder etwas zu gelten. Der Leistungsdruck ist die verweltlichte Spielart dessen, was wir Werkgerechtigkeit nennen. Die zerbrochene Gottesbeziehung führt auch zum Zerbruch der menschlichen Beziehungen (Adam vor dem Sündenfall über Eva: Fleisch von meinem Fleisch, nach dem Sündenfall: Die Frau, die du mir gegeben hast). Weil der Mensch aber nicht für sich allein sein kann, braucht er Bestätigung und Anerkennung – durch Leistung und Arbeit. Wir streben nach Selbstbestätigung und Selbstrechtfertigung.
Der Wiedergeborene aber darf neu leben lernen. Er ist nicht mehr zur Leistung berufen, sondern darf einfach Kind Gottes sein.
Geläufig ist ein Missverständnis des Evangeliums, das so aussieht: Wenn der Karren meines Lebens im Dreck steckt, brauche ich Gott, damit er ihn wieder herauszieht. Aber dann komme ich allein weiter. Das Evangelium ist nur eine Hilfestellung für die Krisenzeiten des Lebens. Das entspricht dem in der katholischen Lehre vorherrschenden Verständnis von Gnade, gemäß Thomas v. Aquin: Die Gnade hebt die Natur nicht auf, sondern vollendet sie. Es wird also nicht gesehen, dass ein schlechter Baum niemals gute Früchte hervorbringen kann, dass unsere Natur nicht vollendet, nicht verbessert werden kann, sondern dass wir eine neue Natur brauchen – eine neue Geburt.
Die Ökokrise im Licht der Tradition: Die Schöpfung und ihre Hoffnung
In der früheren Menschheitsgeschichte verstand man die Natur mythologisch, d.h. Götter oder Geister standen hinter den beobachtbaren Phänomen, so dass diese nicht erforscht werden konnten.
Im Gegensatz dazu steht die Naturphilosophie der Vorsokratiker, in der die Mythologie der rationalen Betrachtung weicht. Es gab 2 Strömungen:
a) die Atomistik (Demokrit). Die Atome seien ewig und von Ewigkeit her aus sich selbst in Bewegung. Die Natur wird mechanistisch verstanden
b) die Kontinuumslehre nimmt an, dass es ein sich durch alle Veränderungen hindurch erhaltendes Wesen der Dinge gibt, was allen Phänomenen in der Natur Bestand gibt.
Platon stellte sich die form- und gestaltgebende Idee als von der Materie getrennt und in einem Ideenkosmos existierend vor. Z.B. die Lebensseele einer Pflanze ist von der Pflanze selbst getrennt. Eine Rose kann nur insofern Rose sein, als sie an der jenseitigen Idee der Rose teilhat. Trotzdem bleibt aber jede real existierende Rose nur eine unvollkommene Verwirklichung der Idee Rose. Das ließ jedoch viele Fragen offen, wie z.B., wie die Idee in die Materie kommt und in ihr wirkt.
Aristoteles dagegen nahm die Idee als Gestalt gebende Wesens-Form einer natürlichen Erscheinung mit dieser zusammen. Seele und Körper waren für ihn, anders als für Platon, eine Einheit. Einen jenseitigen Ideenkosmos gibt es somit nicht. Die Seele waltet in den natürlichen Erscheinungen als treibende, zweckmäßige und zielgerichtete (teleologische) Kraft. Diese verwirklichende Kraft, das die Wesens-Form (Idee) aktualisierende Prinzip nennt man Entelechie.
Die aristotelische Naturphilosophie lehrt die Einheit von Form und Materie. Die Natur ist für ihn also keine tote Materie. Er kennt ein ehrfürchtiges Staunen vor dem, was im Kosmos geworden ist: „In allem, was die Natur hervorbringt, ist etwas Bewundernswertes“.
Der materielle Stoff ist Natur, sichtbar und greifbar. Die Wesens-Idee ist aber nicht Natur. Als unkörperliche, nichtmaterielle Wirklichkeit ist sie metaphysisch. Sie ist uns nicht zugänglich. Wir können die metaphysische Wesens-Idee nur im konkreten Individuum erkennen, also z.B. die „Schafheit“ im konkreten Schaf.
Beginnend mit Descartes (1596-1650) wird die Einheit von Körper und Seele aufgehoben. Sein denkendes Ich und die Materie bilden keine Einheit mehr. Die Bewegungen des Körpers geschehen nicht durch Zusammenwirken von Leib und Seele, sondern sind mechanisch. Konsequenz ist die Entseelung der Natur. Zwischen Pflanzen und Tieren einerseits und einer aufgezogenen Uhr gibt es keinen wesentlichen Unterschied mehr. Man hat es nur noch mit mehr oder weniger komplizierten Automaten zu tun, mit mechanischen und berechenbaren Abläufen. Der Mensch hat nach Descartes zwar eine Seele, aber er versteht sie als immaterielle Substanz, die ihr Wesen im Denken hat. Wie sie mit dem Leib verbunden ist, kann er nicht erklären. Sie lebt für ihn beziehungslos im Leib wie in einer Maschine. Damit kann er nicht mehr sagen, was der Mensch eigentlich ist.
Schon Galilei sagte: Man muss messen, was messbar ist, und messbar machen, was es nicht ist. Die dem Maß der Zahl unterworfene Natur ist veräußerlicht, seelenlos, nur noch Material, um die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu befriedigen.
Unter der Voraussetzung, es mit einer seelenlosen Natur zu tun zu haben, entwickelt sich die Biologie zur Biochemie und Biophysik.
An die Stelle der aristotelischen Sinnganzheiten treten die methodischen Abstraktionen. Doch je mehr die Wissenschaften mit ihren reduktionistischen Modellen zupacken, um so mehr verlieren sie das Leben. Die innere Einheit, die das Wesen alles Lebendigen ist, kann von keinem Modell erfasst oder manipuliert werden. Das Leben entzieht sich der angemaßten Machbarkeit aller Dinge. Weder die Lebensseele des Organischen, noch der Geist des Menschen lassen sich auf exakte mathematische Beschreibungen reduzieren.
Die biblische Antwort auf die Fragen nach dem Leben unterscheidet sich noch mal sehr deutlich von der griechischen Naturphilosophie. Sie bezieht sich auf die von Gott gesetzte Bestimmung des Geschöpfs. Die Schöpfungslehre ist weder Naturphilosophie noch Naturwissenschaft. Die Psalmen 8, 19 und 104 zeigen, dass der Mensch, die Kreaturen und der ganze Kosmos auf Gott, den Schöpfer, bezogen sind. Sie spiegeln seine Größe und Herrlichkeit wider. Gott hat ohne die Hilfe vorgegebener Naturprinzipien durch sein Wort die ganze Schöpfung ins Dasein gerufen. Als sein Werk ist sie auf ihn bezogen, das lässt keinen Raum für eine eigenständige wissenschaftliche Lehre von der Entstehung der Welt und des Menschen. Die aufmerksame Naturbetrachtung in der Bibel führt zur Freude am Schöpfer, der Wohlgefallen an seinen Werken hat, seine Geschöpfe liebt und für sie sorgt. Siehe z.B. Matthäus 6:28-30.
Gott schuf durch sein Wort aus dem Nichts. Die Materie ist also nicht ewig, sondern geschaffen. Gott ist nicht die Ursache der Schöpfung, sondern ihr Urheber. Eine Ontologie, die vom natürlich Seienden in der Welt auf Gott zurückschließen will, widerspricht dem Glauben an Gott als dem Schöpfer. Die Naturerkenntnis kann nicht auf Gott zurückschließen, denn Schöpfer und Geschöpf haben keine Wesensidentität.
Die Behauptung, Gott als allgemeiner Weltgeist würde sich in alle Gefäße der Schöpfung ergießen, alles durchwesen und beseelen, ist völlig unbiblisch. Gott als Schöpfer ist vom Geschöpf unterschieden und geschieden. Die Geschöpfe tragen nicht „göttliches Wesen“ in sich, sondern die Fingerabdrücke des Schöpfers an sich. Der Atem Gottes, der den Menschen beseelt, darf nicht mit dem Heiliger Geist als göttlicher Person verwechselt werden. Dass Gott dem Menschen den nefesch, den Atem einbläst, bedeutet für den Menschen nicht den Empfang einer göttlichen Seele oder eines göttlichen Geistes. Der nefesch regt sich in allem, was auf Erden lebt, auch in der Tierwelt (Gen 6:17). Er ist eine lebensweckende, vitale Kraft in den Geschöpfen. Er ist keine selbstmächtige Kraft und verschafft dem Geschöpf keine Selbstständigkeit gegenüber dem Schöpfer.
Gott hat die Schöpfung durch sein Wort nicht nur geschaffen, sondern erhält sie auch (Hebr. 1; Luther: „… dass wir durch Gottes Güte aus nichts geschaffen sind und aus nichts täglich erhalten werden“). Auch im Geschaffensein bleibt die Schöpfung also auf den Schöpfer angewiesen.
Aus der Gewissheit: „Euer Vater weiß, was ihr braucht, ehe ihr ihn bittet“ (Mt 6:8) kann der Christ der Natur und der Fülle ihrer Gaben begegnen ohne das gierige Verlangen, alles besitzen und haben zu müssen.
Der Friede Gottes in einer friedlosen Welt.
Shalom bedeutet das innere und äußere Wohlergehen des Gottesvolks. Der Begriff enthält die Spannung zwischen dem gegenwärtig Geschenktem und dem für die Zukunft Erhofften (dem Friedensreich des Messias). Im AT ist dieser Shalom nicht die Abwesenheit von Krieg, sondern eine Schutzmauer, eine „feurige Mauer“ um das Volk Israel herum. Dieser Friede ist ein Geschenk Gottes an sein Volk, nicht Resultat menschlicher Leistung, also etwa militärischer Stärke oder kluger Bündnispolitik.
Das zu shalom gehörende Verb shillem bedeutet „bezahlen, ersetzen, vergelten“. Shalom wird da erreicht, wo man bezahlt, ersetzt, Genugtuung geleistet hat. Wer einen anderen so grüßt, fragt eigentlich danach, ob der andere befriedigt ist, weil keine rechtlichen Forderungen ihm gegenüber bestehen: Bist du vergnügt, mich zu sehen, oder bin ich dir etwas schuldig geblieben? Wenn Josef seine Brüder so grüßt, macht er deutlich, dass er vergeben hat (ähnlich Jesus nach der Auferstehung, als er den Jüngern erscheint). Dieser Friede hat also einen Preis, den man bezahlen muss, um den Gegner zufrieden zu stellen. Der wahre Friede ist eine Segensgabe Gottes und daher im aaronitischen Segen zugesprochen.
Friedlosigkeit resultiert aus Gottlosigkeit. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit, und ohne ein Leben mit Gott.
Jesaja 53:5 „Die Züchtigung, mit der wir für unseren Frieden (den Frieden mit Gott) hätten zahlen müssen, liegt auf ihm (dem Gottesknecht)“. Gott macht von sich aus Friede mit dem friedlosen Menschen.
Markus 4:35-41 und 5:1-20 bilden eine Einheit. Im AT wurde das VI übernatürlich bewahrt beim Durchzug durch das Rote Meer, und das ägyptische Heer ertrank. Hier bewahrt Jesus seine Jünger bei der Überfahrt, und anschließend ertrinken die besessenen Schweine, vernichtet werden die dämonischen Mächte, die Friedlosigkeit und Chaos anrichten. So haben diese Geschehenisse eine eschatologische Dimension. Auch die Tempelaustreibung macht deutlich: die prophetische Erklärung „kein Friede den Gottlosen“ wird von Jesus umgesetzt in den aktiven Kampf gegen die Gottlosigkeit. Die Weisung der Bergpredigt „Widersteht nicht dem Bösen“ gilt im Hinblick auf den Menschen, der uns hasst, nicht aber im Hinblick auf die Macht des Bösen, die Herrschaft des Teufels, die der Gottesherrschaft im Weg steht und den Frieden Gottes stört.
Verständnis der Wunder Jesu
Descartes: „An meiner Existenz kann ich nicht zweifeln, denn um daran zweifeln zu können, muss ich, der Zweifelnde, existieren. Also: Indem ich denke (zweifle), bin ich. Dies ist die gewisseste Erkenntnis, die ich haben kann“. Damit wird der Mensch zur Mittelpunkt der Erkenntnis. Dem göttlichen ICH BIN wird hier das menschliche ICH BIN gegenübergestellt.
Descartes unterscheidet zwei Bereiche, res cogitans (die denkende Substanz, die Seele) und die ausgedehnte, nicht denkende Substanz, die Materie (res extensa). Er und noch mehr dann Spinoza trennen diese Bereiche streng, so dass das Materielle keine Bedeutung für das Geistige hat, Wunder sind somit bedeutungslos. Hume stellte dann die Geschichtlichkeit der biblischen Wunderberichte in Frage, und danach der Theologe Reimarus.
Karl Heim sprengt das geschlossene pseudowissenschaftliche Weltbild und zeigt, dass die Welt „offen“ ist – offen nicht für Irrationalität, sondern für die Führungsvollmacht Jesu. Die Wunder Jesu sind historische Tatsachen, zugleich aber Zeichen des Heilshandelns Gottes durch Jesus, Hinweise auf das bereits geschenkte und auf das noch kommende Heil.
Rudolf Bultmann war Existenzialist und Freund Heideggers. Von daher ist ihm die Tatsächlichkeit der Wunder Jesu egal, aber er meint, diese Berichte würden etwas über unsere Existenz aussagen (z.B. Petrus hat Angst unterzugehen, Angst ist wesentlich für unsere Existenz).
Wir denken in der heutigen Welt oft nur an Einzelereignisse, ohne Zusammenhänge zu erkennen. Die Wunder Jesu können nur in ihrem Zusammenhang verstanden werden: im Zusammenhang mit seinem Handeln, seinem Sterben und Auferstehen. Wunder sind Zeichen dafür, dass Jesus der Experte Gottes für das Heilwerden des Menschen ist. Genau deshalb ist er für uns gestorben. Der Zusammenhang zwischen Vergebung (Heil) und Heilung wird deutlich bei dem Gelähmten, dem Jesus die Vergebung zuspricht, bevor er ihn heilt. So zeigen die Wunder, dass in Jesus (und nur in ihm, Apostelgeschichte 4:12) das Heil zu finden ist.
Das Böse wurde auch in der Theologie durch deren Beeinflussung durch Aristoteles immer wieder verharmlost. Für Aristoteles ist das Böse nur der Mangel an Gutem. Er erkennt darin nicht eine eigenständige Größe, die Bos-HEIT, erst recht nicht deren Urheber.
Die Wunder Jesu sind Angriffe auf die Macht des Bösen, sind Zeichen dafür, dass das Reich Gottes anbricht. Krankheit ist ein Zeichen dafür, dass eine lebensfeindliche Macht nach dem Menschen greift, den Gott doch zum Leben geschaffen hat. Jesus ist gekommen, um die Werke des Teufels, also dieser lebensfeindlichen und gottwidrigen Macht, zu zerstören. Jesu Wunder sind somit Zeichen dafür, dass die Macht des Bösen gebrochen ist. Die Geschichte von den 10 Aussätzigen, von denen nur einer Jesus dankt, zeigt: es ist Jesu Absicht, durch die Wunder den geheilten Menschen zu sich selbst zu führen, damit er das Heil empfange. Und dieses Heil besteht in der Vergebung der Sünden, in der Aufhebung der Trennung zwischen Gott und Mensch. Die Heilungen sind ein Weg, auf dem Jesus zum Heil führen will.
Grundlinien eines biblischen Schriftverständnisses
Die Bibel enthält nicht nur, sondern sie ist Gottes Wort. Sie ist selbst Offenbarung, und nicht nur ein Zeugnis von ihr. Mt 5:17f: Jesus löst das Gesetz nicht auf, nicht mal ein Iota davon. Entsprechend Johannes-Evangelium 10:35 Die Schrift kann nicht aufgelöst werden. Hebräer 1:1 Gott hat „durch“ die Propheten geredet – es ist nicht ihr, sondern Gottes Wort. 2. Tim 3:16 redet von „Inspiration“. Gleichzeitig: „die ganze Schrift“ – das drückt die Einheit der biblischen Bücher aus. 2. Petrus 1:19ff zeigt: die Bibel wurde zwar von Menschen verfasst, aber diese Menschen haben „von Gott her“ geredet, Gottes Wort vermittelt. Der Heilige Geist umspannt menschliche Arbeit und Gottes Reden in einem einmaligen Vorgang.
Die Bibel ist einerseits immer von ihrem Wortsinn her zu verstehen. 1. Korinther 10:4+11 und 1. Korinther 9:9 zeigen, dass es einen weiteren Sinn geben kann. Allerdings sollten wir mit eigenmächtigen Interpretationen vorsichtig sein.
Man muss die Bibel heilsgeschichtlich verstehen. A. Bengel: Unterscheide die Zeiten, und die Schrift wird zur Einheit werden.
Luthers 2-Reiche-Lehre, und die ethischen Konsequenzen
Luther unterscheidet ausgehend von Römer 13 das weltliche und das geistliche Reich, betont aber, dass beide unter Christus als dem Herrn der Geschichte stehen. Für Luther herrscht im weltlichen Bereich das Gesetz, in der Gemeinde das Evangelium. Luther wollte sich von den „Schwärmern“ abgrenzen, die nicht sehen wollten, dass es eine Spannung gibt zwischen der Jetztzeit und dem Einbruch des Gottesreichs in der Zukunft. Sie wollten das Reich Gottes jetzt verwirklichen und die staatliche Autorität abschaffen, und scheiterten damit. Für Luther ist der gläubige Mensch frei vom Gesetz und unmittelbar von Gott geführt. Die staatliche Ordnung ist aber nötig, um Willkür, Chaos und Machtmissbrauch zu verhindern in einer Welt, in der viele eben keine wahren Christen sind. So kann das Böse zwar nicht überwunden werden (das geht nur durch das Wirken Gottes im Heiligen Geist), aber kontrolliert werden. Die staatliche Ordnung soll Gottes Gebote, etwa die 10 Gebote durchsetzen, und sich ansonsten vernünftig verhalten – Vernunft ist eine Gabe Gottes für jeden Menschen. Sie ist immer besser als eine Ideologie mit einem reduktionistischen Menschenbild und einer pseudowissenschaftlichen Gesellschaftslehre. „In zeitlichen Dingen … ist der Mensch vernünftig genug, da bedarf es keines anderen Lichts als der Vernunft. Darum lehrt Gott in der Schrift auch nicht, wie man Häuser bauen, Kleider machen etc tun soll“.
Der Heilige Geist macht freiwillige Menschen. Diese Freiwilligkeit ist das Kennzeichen echter Liebe. Sie ist Freiheit des Menschen von sich selbst und damit auch von der gesetzlichen Motivierung. Alle Werke, die aus Liebe zu Gott geschehen, kommen dem zugute, der Gottes Liebe ebenso erfahren soll wie wir selbst, unserem Nächsten.
Wort und Erfahrung im Alten und Neuen Testament
In östlichen Religionen stehen Gefühl und Mystik im Mittelpunkt, im biblischen Glauben das Wort. Die Propheten des AT wie auch Jesus und die Apostel sprechen den Willen des Menschen an, nicht das Gefühl. Entscheidend ist der Gehorsam, die Willensentscheidung, Gottes Willen zu tun. Das Wort hat eine Vorrangstellung gegenüber der Erfahrung.
Das Wort in der Antike
Da es damals viel weniger zu hören gab als heute, war es viel stiller, und die Menschen konnten sich an das Gehörte besser erinnern.
Man las halblaut, das hat folgende Vorteile:
- die Worte prägen sich besser ein, wenn sie auch gehört werden
- man liest dann konzentriert, nicht schnell und oberflächlich
Die Gesprächskultur war so, dass man genau zuhörte, oft den anderen kurz zusammenfassend wiederholte, bevor man entgegnete. (Siehe Hiob).
Man wusste damals, dass Worte Wirkung haben, „Machtworte“ sein können. Vgl. das Leichenlied, das Jesaja in 1:21ff über das augenscheinlich blühende Jerusalem singt, oder die Reaktion des Priesters Amazja in Amos 7:10f: „Das Land kann seine Worte nicht aushalten“. Man war sehr bedacht darauf, Negatives nicht auszusprechen, um ihm keinen Raum zu verschaffen. Z.B. Hiob 1:5: hier wird „gesegnet“ gesagt, obwohl „geflucht“ gemeint ist. Darum ist die Beschimpfung eines anderen auch so schlimm, dass sie laut Matthäus 5:22 hart bestraft werden muss. Auch Jakobus 3:1-12 geht aus von der Macht des Wortes. Andererseits bedeutet das Aussprechen von etwas Positivem eine heilvolle Änderung des Adressaten in seinem Innersten, daher die vielen Friedens- und Segenswünsche. Entsprechend griechisch eulogein – segnen – Gutes reden
Man hatte Scheu, den Namen eines Anwesenden auszusprechen, weil man damit Macht über dessen Person gewänne (vgl. Exodus 20:7 Missbrauch des Namens Gottes). Gott ruft in Genesis 1 die einzelnen Schöpfungswerke ins Dasein, indem er sie benennt.
Der Logos im Griechischen ist nicht ein Wort (Mehrzahl Wörter), sondern allgemein Sprache, Rede, Vernunft. Im Gegensatz zum Mythos ist Logos durch Nachprüfbarkeit, Berechenbarkeit, Ordnung gekennzeichnet.
Heute ist die Rede- Hör- und Gesprächskultur der Antike nicht mehr vorhanden, daher auch die Mediensucht an Stelle von Frontalunterricht bzw. -predigt. Der beste Redner ist der, der aus dem Ohr ein Auge machen kann (arabisches Sprichwort). Die Juden kannten das AT auswendig.
Das AT versteht unter Weisheit die Fähigkeit, die Natur und das menschliche Zusammenleben zu durchschauen, einzuordnen und zu bewältigen. Sie führt in Israel nicht zur Philosophie, sondern zur wahren Gottesfurcht (Spr 1:1-7 u.a.)
Wort Gottes und Erfahrung in der Reformation
„Die Worte ‚gerecht‘ und ‚Gerechtigkeit‘ wirkten auf mein Gewissen wie ein Blitz, ich erschrak: Ist Gott gerecht, dann muss er strafen. Aber dann dachte ich einmal über Römer 1:17 nach: Der Gerechte wird leben, weil er glaubt. So erkannte ich: Wenn wir als Gerechte aus dem Glauben leben sollen und wenn die Gerechtigkeit Gottes jedem, der glaubt, zum Heil gereichen soll, wird sie nicht unser Verdienst sondern die Barmherzigkeit Gottes sein. Die Gerechtigkeit Gottes besteht darin, dass wir durch Christus gerechtfertigt und erlöst werden“ (M. Luther).
Luther hat in seinem Leben den Zorn Gottes sehr tief erfahren, gerade deshalb geht auch die Erfahrung der Gnade bei ihm so tief (vgl. seinen Brief an Spenlein).
Die Wirklichkeit, die das Wort Gottes dem Glauben verheißt, ist nicht Gegenstand sinnenhafter Erfahrung. Hebräer 11:1 „ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“. Gott ist verborgen, nicht erfahrbar. Luther: „Damit Raum sei für den Glauben, ist es not, dass alles, was geglaubt wird, verborgen werde“. Wenn sich Glaube und Erfahrung widersprechen, entsteht die Anfechtung. Der natürliche Mensch sieht auf das Sichtbare, der Glaube auf das Unsichtbare (2. Korinther 4:18).
Der Wille Gottes hat für uns eine doppelte Gestalt: Einerseits sagt Gott durch sein Gesetz ein scharfes Nein zum („natürlichen“) Menschen. Herz und Gewissen des Menschen müssen der Anklage und der Verurteilung durch Gottes heiligen Willen zustimmen. Auf der anderen Seite steht Gottes Gnadenwille, der den sündigen Menschen um Christi willen begnadigt.
Luther sagt, die Anfechtung des Glaubens an das Evangelium durch das den Menschen verurteilende Gesetz bleibe sein Los sein ganzes Leben lang. Aber die Gewissheit der Gnade siegt immer wieder durch die Kraft des Heiligen Geistes. Weil wir immer wieder angefochtene Menschen sind, bleibt der Glaube das immer neue Wagnis.
Wort – Gefühl – Erfahrung
Das Wort Gottes umfasst Leib, Seele, und Geist; es will auf allen Gebieten erfahren werden. Und es ist mehr als Erfahrung. Es will einerseits in der Erfahrung konkret werden, aber es transzendiert die menschliche Erfahrungswelt auch, stellt sie auch in Frage.
Das Wort Gottes ist wie ein Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert (Jeremia 23:29). Wo es zur Geltung gebracht wird, muss nicht mehr nach Erfahrung gefragt und gesucht zu werden, es IST Erfahrung – und weit mehr als das.